GLAUBEN VERLOREN
Ich habe den Glauben verloren…
Den Glauben verlieren? Es ist ein langer, fortschreitender Prozess, an dessen Ende man sich selbst und später anderen oft sagt, dass man den Glauben verloren hat.
Man glaubt nicht mehr an einen persönlichen Gott, der zu den Menschen spricht. Man glaubt vielmehr, dass es ihn gar nicht gibt. Man wendet sich von der Kirche ab und von dem, was sie lehrt. Man glaubt nicht mehr an die Kernsätze des Glaubensbekenntnisses: Das ewige Leben, die Auferstehung… All das erscheint falsch oder kindisch.
Aber oft ist es auch die Frage nach dem Bösen, nach dem Leid die uns umtreibt: ,,Wenn es Gott wirklich gäbe, dann ließe er das alles nicht zu.“ Langsam rutscht man vom Glauben in die Indifferenz, man denkt und sagt: „Religion ist nicht mein Ding, das ist mir egal, das interessiert mich nicht mehr.“ Ich habe den Glauben verloren… Aber ist es wirklich so?
Kann man den Glauben verlieren wie einen Geldbeutel oder einen Schlüsselbund? Was ist der Glaube? Der Glaube drückt sich in Gewohnheiten aus: in die Christmette gehen, in einer Kirche eine Kerze aufstellen…
Aber der Glaube ist nicht nur das. Er ist die vertrauensvolle Antwort auf eine Anrufung, die aus einer Art Durst entsteht, aus der Hinwendung zu einem Gegenüber, aus einem Über-sich-Hinauswachsen. Da ist jemand, der einen zu sich hinzieht, der vorschlägt, mit ihm zu gehen.
Glaube bedeutet, in diesem „Jemand“ den Gott der Evangelien zu erkennen. Glaube bedeutet, Gott mit dem eigenen Leben zu antworten, ihm zu vertrauen. Aber oft glaubt man nicht mehr, dass Gott der Ursprung dieses Impulses ist. Brauchen wir denn überhaupt einen Gott, der mit dem Menschen spricht wie mit einem Freund? Nicht immer…
Oft haben wir sogar gute Gründe, nicht mehr zu glauben:
Dunkelheit
Es ist nicht leicht zu erkennen, wann Gott zum Menschen spricht. Wie soll man jemand hören, dessen Anwesenheit man nur erahnen kann? Es wäre so einfach, wenn er sich einfach mal zeigen könnte! Aber vielleicht geht es nur darum, dass wir unseren Blick schärfen…
Verletzungen
Wer wurde nicht schon einmal verletzt oder war schockiert vom Verhalten eines Priesters oder eines Christen? Einige Skandale, die die Kirche in jüngster Zeit erschüttert haben, haben sie auch in Misskredit gebracht. Oder auch manche Haltung der Kirche im Laufe ihrer langen Geschichte. Die Kirche und die Gläubigen tragen in sich auch manche Schwächen und sind dadurch nicht immer perfekt.
Verweigerung
Einiges von dem, was die Kirche lehrt, ist nicht leicht verständlich oder provoziert die Abwendung unzufriedener Gläubiger. Beispiele sind Themen wie Sexualität, Empfängnisverhütung oder Sterbehilfe. Warum mischen sich der Papst und die Bischöfe hier überhaupt ein, fragen sich viele – ohne sich damit auseinanderzusetzen, was sie sagen möchten.
Zweifel
Was man „den Glauben verlieren nennt“ ist oft nur ein In-Zweifel-Ziehen. Man beginnt, Fragen zu stellen. Man beginnt, Fragen zu stellen. Man bezweifelt den Wahrheitsgehalt der Heiligen Schrift. Man kann auch das Vertrauen in die Kirche verlieren, die die Glaubensinhalte vermittelt. Man beschuldigt sie, diese Inhalte durch „Dogmen“ zu verkomplizieren – Dogmen, an die zu glauben, man sich weigert. Doch glauben bedeutet nicht, die Vernunft an den Nagel zu hängen.
Prüfungen
Oft sind es die großen Prüfungen, die die Menschen von Gott entfernen. Krankheit, Leid oder Tod sind solche persönlichen Dramen, zumal, wenn wir zuvor um Heilung gebetet haben. Wie kann ein guter Gott so etwas zulassen? Das Leben erscheint dadurch absurd und der Mensch wendet sich von Gott ab. Und doch: Wie viele Menschen bezeugen Gottes zärtliche Liebe gerade in Momenten schweren Leids?
Dennoch…
Es ist oft schwer den Glauben – der auch Vertrauen bedeutet – zu bewahren. Viele Heilige erzählen von Schwierigkeiten, zu beten, von Momenten der Entmutigung. Der heilige Paulus sagt, dass der Glaube, auch ein Kampf ist. Und es bedarf eines gewissen Mutes, um seinen Glauben gegen alle Widerstände zu bewahren. Es braucht Mut, sich an Gott zu wenden, wenn das Leben hart und prüfend ist. Manchmal muss man Antworten auf seine Fragen suchen, in der Gemeinschaft der Gemeinde, bei Freunden oder in der Bibel, um wieder Freude am Glauben und Vertrauen zu Gott zu finden.
Den Glauben zu verlieren bedeutet nicht, dass wir nicht etwas suchen, was über uns hinausgeht. Und dieses „Etwas“, das ein „Jemand“ werden kann, wird oft dem Suchenden gegeben. Und der Tag, an dem er es findet, wird ihm dann die wahre Freude bringen. „Gott spricht, auch wenn er schweigt.“ Benedikt XVI.